Gut besuchter Workshop in Mölln diskutierte zur Frage: "Ist Rassismus im ländlichen Raum (un-)überwinderbar?!"
„Herz einschalten – Rassismus ausschalten“ ... unter diesem Motto trägt der Verein Miteinander leben e.V. eine kreisweite Antirassismuskampagne, die dazu beitragen soll, Rassismus und Diskriminierung im ländlichen Raum zu überwinden. Er hat dazu eine Kooperation mit dem Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein (advsh) e.V. geschlossen, um alle 14 Tage ein professionelles Beratungsangebot für Betroffene in der Internationalen Begegnungsstätte »Lohgerberei« anbieten zu können. Ebenso verantwortet der Verein die Webseite www.herzein-rassismusaus.de, die der Kampagne als Öffentlichkeitsorgan dient. Er unterstützt überdies die Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen bei der Ausgestaltung von deren Mitgliedschaft in der 'Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus' (European Coalition of Cities against Racism – ECCAR) in koordinierender Weise. "Die Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung ist ein ganz bedeutender Teil unserer Vereins-DNA", sagt Vereinsvorsitzender Mark Sauer. Seit vielen Jahren werden dazu Angebote für Schulen und Jugendgruppen im Zuge des Projektes 'GESTÄRKT' organisiert. Doch rückt der Fokus inzwischen immer mehr auf die Fragestellung, wie Rassismus und Diskriminierung grundsätzlich überwunden werden kann.
Genau dazu hat der Verein Miteinander leben e.V. im September einen Workshop mit Betroffenen und Multiplikator*innen aus der Zivilgesellschaft, aus Sicherheitsbehörden, aus dem Sport und der Flüchtlingsarbeit organisiert. "Wir haben uns gemeinsam die Voraussetzungen und Möglichkeiten von Antirassismusarbeit im ländlichen Raum angeschaut", sagt Evans Gumbe, der zusammen mit Gesine Gondesen den Workshop fachlich begleitete. Zum Einstieg referierte Ibrahim Arslan, Überlebender der Möllner Brandanschläge, eindrucksvoll zur Notwendigkeit, Betroffene sprechen zu lassen und ihre Mitwirkung zu gewinnen. Vor allem, so Arslan, müsse die Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung immer auf Augenhöhe zwischen Betroffenen und Mehrheitsgesellschaft gestaltet werden. Und es sei aus seiner Sicht vor allem die Mehrheitsgesellschaft, die lernen muss, dass Rassismus und Diskriminierung immer in einem Umfeld von Macht und Ohnmacht gedeihen. Jeder Einzelfall weist auf eine Struktur, die durch Haltungen, Privilegien und Interessen der Mehrheitsgesellschaft geprägt wird, ohne dass diese es selbst wahrnimmt. Dies zu erkennen, ist fundamental wichtig, um die Wirkungsweise von Rassismus zu verstehen.
Im Verlauf des Workshops wurden Strukturen identifiziert, die für die Ausgestaltung einer Antirassismusarbeit im ländlichen Raum hinderlich oder förderlich sein können. Als schwierig wurde angesehen, dass die migrantischen Communities im Landkreis oftmals sehr klein sind und viele Betroffene auch vereinzelt leben. Zudem gibt es keine ausgeprägte Formen von politischer Selbstorganisation, die eine antirassistische Arbeit einfordern könnte. Analog dazu ist im ländlichen Raum das Problembewusstsein in der Mehrheitsgesellschaft zu Rassismus und Diskriminierung oft nur schwach ausgeprägt. Der Satz, "Rassismus gibt es bei uns nicht!", ist nicht selten zu hören. Ebenso fehlen professionelle Beratungsstrukturen für Betroffene, die in Großstädten heute selbstverständlich und oftmals auch im Wissenstransfer mit den ansässigen Universitäten entwickelt werden. Auf der Habenseite wurde hingegen vermerkt, dass in ländlichen Räume der persönliche Zugang zu Menschen und das Miteinander immer noch besser gelingt, als in der Anonymität der Großstadt. Auch konnten mögliche Partner für eine gemeinsame Antirassismusarbeit im Landkreis identifiziert werden. Wichtig war zudem die Klarstellung, dass Antirassismusarbeit nicht gleichzusetzen ist mit Inklusionsarbeit oder mit interkultureller Begegnung. "Antirassismusarbeit ist ein großes gemeinsames Lernprojekt, das vor allem die Mehrheitsgesellschaft fordert", sagte Evans Gumbe.
Die Ergebnisse des Workshops sollen Grundlage für weitere Diskussionen auf dem Weg zu einem Konzept für eine funktionierende Antirassismusarbeit im ländlichen Raum werden. An dieser Diskussion sollen zukünftig auch ländliche Gemeinden aus der 'Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus' eingebunden werden.
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