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Unterrichtsanfragen an das Bildungsnetzwerk Antisemitismus „ZUGÄNGE ERWEITERN“ nehmen deutlich zu

Das Projekt "ZUGÄNGE ERWEITERN - Bildungsnetzwerk Antisemitismus" hatte im ersten Halbjahr 2023 einen ungewöhnlichen Anstieg an Anfragen zu seinen Unterrichtsangeboten zu verzeichnen. Vordringlich Gemeinschaftsschulen wandten sich an die Projektleitung Gabriele Hannemann und baten um pädagogische Unterstützung. Allerdings konnte nur ein Teil dieser Anfragen mit den bestehenden Stundenkontingenten erfüllt werden. „Die Anfragenflut kam nicht ganz überraschend“, sagt Gabriele Hannemann, die sie seit vielen Jahren Projekttage zu Themen wie ˈGrundlagen des Judentums‘, ˈJüdisches Leben in Deutschlandˈ, ˈErstbegegnung mit der Shoahˈ oder ˈAntisemitismus‘ an allen Schulformen anbietet und durchführt. „Wir stellen in unserem Bildungsnetzwerk seit längerem einen wachsenden Bedarf nach externer Unterstützung bei der pädagogischen Vermittlung dieser Themen und ganz konkreten Unterrichtsangeboten fest“, so Hannemann. Sie führt dies unter anderem auf die enormen Belastungen zurück, unter denen viele Schulen aktuell stehen. „Angesichts des weit verbreiteten Lehrermangels haben viele Lehrkräfte in ihren Schulen kaum oder keine Zeit, um solche wichtigen Themen mit ihren Schülerinnen und Schülern intensiver zu bearbeiten“, bestätigt Wencke Stegemann, die als Projektassistenz im Bildungsnetzwerk mitwirkt, diese Einschätzung. Dies zeige sich auch daran, dass die Bereitschaft von Lehrkräften, an Fortbildungsmaßnahmen zum Themenfeld Antisemitismus teilzunehmen, deutlich gesunken ist. So konnte im Bildungsnetzwerk in der ersten Jahreshälfte nur noch ein Seminarangebot erfolgreich durchgeführt werden. Dr. Felix Boor von der Uni Hamburg referierte zum Thema ˈAnnexion, Mauerbau und Menschenrechte – Zur völkerrechtlichen Situation Israelsˈ vor 14 Lehrkräften aus Schleswig-Holstein. Andere Fortbildungsangebote mussten wegen fehlender Anmeldungen abgesagt oder verschoben werden.

 

 Dr. Felix Boor von der Uni Hamburg referiert vor schleswig-holsteinischen Lehrkräften zum Thema ˈAnnexion, Mauerbau und Menschenrechte – Zur völkerrechtlichen Situation Israelsˈ ©Verein Miteinander leben e.V. 

In vielen Schulen wird dies durchaus als Dilemma empfunden, gerade auch weil sich vermehrt antisemitische Tendenzen und Phänomen im Schulalltag zeigen. „Gerade aus Gemeinschaftsschulen bekommen verstärkt Beratungsanfragen von Lehrkräften. Sie berichten von großen Schwierigkeiten, zum Themen wie Judentum und Antisemitismus zu arbeiten und verweisen auf die sich verändernde Herkunftsstruktur der Schülerschaft. Gabriele Hannemann kennt diese Probleme aus ihrer eigenen Unterrichtserfahrung genau. „Natürlich ist es eine besondere Herausforderung, mit Schülerinnen und Schüler, die einen Migrationshintergrund und familiäre Bezüge im Nahen Osten haben, solche Themen zu vermitteln. Tiefverwurzelte Ansichten der Kultur, der Religion und der Meinungen sowie Ansichten der Herkunftsfamilien, gekoppelt mit wenig Offenheit zur Auseinandersetzung mit den Themen der Projekttage, erschweren oft die Durchführung. Eine Thematisierung des Nahostkonfliktes ist dabei unabdingbar, braucht aber auch viel Raum und Zeit für Gespräche und Diskussion und natürlich ein fundiertes Hintergrundwissen. Das überfordert Lehrkräfte schnell“, sagt Gabriele Hannemann. Entsprechend spiegeln die steigenden Anfragen an das Bildungsnetzwerk auch den wachsenden Bedarf der Schule an unterstützender Unterrichtsexpertise von außen.

 

Das Bildungsnetzwerk „ZUGÄNGE ERWEITERN“ reagiert auf diese Anforderungen und versucht nach Kräften Schulen mit Unterrichtsangeboten zu unterstützen. „Wir sind an allen Schulformen aktiv, beratend und unterrichtend, in Ahrensburg, Aumühle, Kronshagen, Lübeck, Neumünster, Norderstedt, Reinbek. Doch decken wir damit nur ein Bruchteil der Anfragen ab“, bilanziert Gabriele Hannemann die Projektarbeit der ersten Jahreshälfte. Die Unterrichtsangebote des Projektteams werden dabei immer bedarfsorientiert angepasst. So werden nach Möglichkeit Besuche in ortsnahe Synagogen organisiert oder Überlebende der Shoa auch in zweiter und dritten Generation als Zeitzeugen eingebunden. Es gilt vor allem, Dialogräume zu schaffen, um mit den Schülerinnen und Schüler in einen offenen Austausch zu kommen. Dies gelingt auch dem Projektteam von ˈZUGÄNGE ERWEITERNˈ nicht immer. „Manchmal stoßen wir auch auf eine komplette Verweigerungshaltung bei Schülerinnen und Schülern. Diese lässt sich nicht nur auf Migrationshintergrund zurückführen, auch rechtspopulistische Ansichten zur Erinnerungskultur werden deutlich geäußert“, sagt Wencke Stegemmann. Um in solchen Situationen zur gemeinsamen Gesprächsebene zu finden, sollen zukünftig vorbereitende Unterrichtsmaßnahmen, wie das ˈToleranztrainingˈ von Sozialtrainer Ercan Kök, genutzt werden. Ercan Kök thematisiert in seinem menschenrechtsbasierten Training Fragen des Umgangs und Respekts und versucht mit Schülerinnen und Schülern, eigene Diskriminierungserfahrungen aufzuarbeiten. „Dies kann uns im Vorwege helfen, um in schwierigen Klassenverbänden eine Bereitschaft zum Dialog über Antisemitismus zu erzeugen“, sagt Gabriele Hannemann.

 

Dass die Hilfsangebote des Bildungsnetzwerkes allerdings nur punktuell wirken können, ist dem Projektteam und dem ehrenamtlichen Träger Projektes „ZUGÄNGE ERWEITERN“ sehr bewusst. „Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die sich im Lern- und Sozialraum Schule widerspiegelt und gerade dort in den vergangenen Jahren an Sichtbarkeit gewonnen hat. Unser Projekt versucht hier einen Beitrag zu leisten, um dieser Tendenz etwas entgegenzusetzen. Unsere Möglichkeiten sind aber begrenzt, um alle Bedarfe zu erfüllen. Das ist aus unserer Sicht ein wirkliches Problem“, sagt Mark Sauer vom Verein Miteinander leben e.V.

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Veröffentlichung

Sa, 21. Oktober 2023

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